„Aha, du bist Hausfrau, und was machst du sonst noch den ganzen Tag über?“

Benita, 25.4.2004

Augen auf für die Hausfrau

Hier meine ofizielle Bewunderung an jede Hausfrau und jeden Hausmann rund um die Welt: „Du bewältigst wohl die psychisch und physisch anstrengenste Arbeit, die ich kenne. Falls Du noch ganz nebenbei als Erzieher(in) von ein, zwei, drei Kindern fungierst, bist Du ein extrem flexibler, belastbarer und inteligenter Mensch, und zwar nicht nur auf einem speziellen Gebiet, nein, Du beherrscht alle lebenswichtigen Situationen.“ Und wenn es den Text nicht so stark in die Länge ziehen würde, würde ich dies noch hundert mal wiederholen!

Die zwei Monate als „nur“ Hausfrau in Chile haben mich wie auf eine Achterbahn geschickt. Ich durchlief wacklige Hochs, um dann gleich wieder senkrecht im freien Fall in die Tiefe zu stürzen. Schon bald mal wusste ich nicht mehr was oben und unten ist, und Mark musste alle Register ziehen, um mich als orentierungsloses Häufchen Elend noch ertragen zu können. Heute weiss ich, dass mich das Experiment “Hausfrau“ völlig überfordert hat. Wiederbelebungen und Marathons sind dagegen nur ein Hauch von Anstrengung, die oft schon am nächsten Tag in Vergessenheit geraten. Natürlich habe ich den Kampf gegen diese besitzergreifenden Ups and Downs eröffnet und ein paar revolutionäre Gedanken zum Thema „Hausfrau“ an den Tag gebracht. Mit dieser neuen Perspektive fühle ich mich auch schon viel besser, gehöre wahrscheinlich zur Emanzen-Elite hier im Millionenstädtchen und packe die Sache jetzt etwas anders an.

Meine Lieblingsbeschäftigung

Hausfrau ist nicht gleich Hausfrau. Ich habe als Dame des Hauses eine Putzfrau zur Hilfe, die einmal wöchentlich die allgemeinen Räume reinigt. Es bleibt mir also nur unser Zimmer, das ich ab und zu bis in die kleinste Ecke poliere. Am Anfang bin ich beim Einkaufen immer mit dem Wörterbuch unterwegs gewesen, stand vor den Regalen und versuchte irgendwie, das Vollkornmehl vom Gries zu unterscheiden. Wenn ich dann noch die frische Hefe, Schokoladenpulver und Maggiwürfel gefunden hatte, war meine Shopping-Mission erfüllt. In tausend Plastiktüten, die sich gefährlich tief in die Handflächen einschnitten, schleppte ich unsere Voräte einige hundert Meter weit nach Hause. Dieses Such- und Versteckspiel verlor jedoch ziemlich schnell an Reiz: Heute weiss ich mit geschlossenen Augen, was wo und zu welchen Preis zu finden ist. Nach Herausforderungen lächzend, wechsle ich nun vom einen zum anderen Supermarkt und nehme teilweise sogar wilde Busfahrten in Kauf, nur um ein bisschen mehr Spannung im Alltag zu finden.

Natürlich versuche ich möglichst abwechslungsreich und gesund zu kochen, mein grosser Anspruch an eine perfekte Hausfrau. Das Brot wird selbst gebacken, das Gemüse frisch zubereitet und zum Nachtisch gibt es vielversprechende Vitamine in Form von verschiedensten Früchten. Nur selten darf Mark abwaschen, schliesslich lasse ich mir meine einzige Aufgabe, die ich zurzeit habe, nicht auch noch nehmen. Früher hätte ich mir dieses Bedürfnis nie vorstellen können, aber für ein bisschen Anerkennung mache ich im Moment viel.

... und die Hausfrau kocht

Ohne das wir es wollten, befinden wir uns plötzlich in einem antiken, aber doch noch modernen Mann- und Frau-Rollenspiel. Mark, der arbeitende, verdienende Mann, und ich, die abhängige, aber eigentlich unentbehrliche, wartende Frau zu Hause. Mein Lohn sind Marks Komplimente und Zufriedenheit, davon lebe ich. Er muss mindestens dreimal klar äussern, wie gut das Essen ist, davor gebe ich nicht auf und frage immer wieder nach. Der Status der Hausfrau gibt in unserer Gesellschaft eben nicht viel Bestätigung oder gar bares Entgeld her. Kochen, putzen und einkaufen kann ja eigentlich jeder mehr oder weniger gut. Da lässt sich ein Doktor an der Universität oder eine Intensivkrankenschwester schon viel besser bewundern. Zu den Top-Fragen in meiner Hausfrauenkarriere hier in Santiago gehört: „Aha, du bist Hausfrau, und was machst Du sonst noch den ganzen Tag über?“

Mein Leben hier richtet sich völlig nach Marks Job. Für einmal stehe ich auf der anderen Seite, denn in der Schweiz war es Mark, der nach meinen Arbeitsschichten tanzen musste. So gehe ich mittags zum Sport, damit ich da bin, wenn er nach Hause kommt. Wenn ich manchmal den ganzen Tag für mich herumgebastelt habe, ersehne ich seine Gesellschaft bis fast ins Unerträgliche. Fünf Minuten Verspätung sind in diesem Fall mehr als Gift. Diesen Umständen entsprechend werde ich auch immer die flexiblere Person von uns Beiden sein und all die beliebten kleinen Extras, wie Abklärungen, Telefonate, Autos kaufen, Behördengänge übernehmen. Ich habe ja auch den ganzen Tag über Zeit, nur irgendwie komme ich manchmal einfach nicht vom Fleck.

Unser Familienzuwachs: Casimir

Ich weiss nicht, ob man diesen Konflikten der Einsamkeit, der geringen Herausforderung, der fehlenden Bestätigung und der Anpassung als Hausfrau stark entgegenwirken kann. Viele Ideen scheinen mir mehr eine Ablenkung vom Problem denn eine Verbesserung. Für mich war es bereits einen Riesen-Schritt zu erkennen, dass und warum ich mich in dieser Rolle nicht 100% wohl fühle. Ich habe bis jetzt noch nie auf dieser Bühne mitgemischt und deshalb nur ganz wenig von solchen Problemen erfahren. Wer weiss, vielleicht spiegelt sich ja Eure Erfahrungen in meinen Problemen wider. Für mich ist auf jeden Fall klar geworden, dass der Beruf der Hausfrau knallhart ist. Es mag ein schöner Beruf sein, aber nur, wenn die Anerkennung stimmt und der nötige Ausgleich und Abstand stattfinden kann.

Mark und ich üben dies jetzt dauernd, und seine Komplimente kommen schon ganz locker zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle. Andererseits lerne ich, mich rechtzeitig von der Hausarbeit zu distanzieren. Den Ausgleich möchte ich in der Freiwilligenarbeit oder im Malen finden. In diesem Sinne wünsche ich Euch ganz viel zu tun und vergesst nie, dass ein Lob so vieles entgelten kann...

Benita